Vom 49-Euro-Ticket zur Euro-Mobility-Card?

Das „Deutsch­landtick­et“ weist den Weg zu europäis­chen Lösun­gen, meint Ralf Richter

Es geht los – im April mit dem Verkauf und im Mai wer­den die ersten Fahrten mit dem „Deutsch­land-Tick­et“ gemacht … wenn es denn nach Plan geht. Inzwis­chen wer­fen die Region­alverkehrsver­bünde und lokale Verkehrs­be­triebe Nebelk­erzen. Das ist aus deren Sicht allerd­ings ver­ständlich: Wenn man für 49 Euro mit dem ÖPNV in ganz Deutsch­land unter­wegs sein kann, welchen Sinn soll es dann noch haben, eine 69-Euo-Monatskarte bei den Dres­d­ner Verkehrs­be­trieben zu kaufen, mit der man nur in ein­er Stadt unter­wegs sein kann? Fast verzweifelt wirkt die Argu­men­ta­tion, wenn man darauf ver­weist, dass die „tra­di­tionellen““ Monatskarten dem neuen Ange­bot doch noch über­legen sind: Da gibt es ein­er­seits die Möglichkeit der kosten­losen Mit­nahme von Fahrrädern in der Woche oder ein­er anderen Per­son am Abend nach 18 Uhr in der Woche und an den bei­den Woch­enend­ta­gen ganztägig. Zudem könne man mit ein­er Monats­fahrkarte der Dres­d­ner Verkehrs­be­triebe Leihräder für die ersten 30 Minuten kosten­los benutzen.

Recht­fer­tigt das alles aber wirk­lich 20 Euro Mehrkosten? Kaum! Es ist eine massen­hafte Kündi­gungswelle zu erwarten und man darf davon aus­ge­hen, dass die lokalen Verkehrs­be­triebe alles in ihrer Macht Ste­hende tun wer­den, um das zu ver­hin­dern.

Die deutsche Kle­in­staaterei erweist sich in nahezu allen Bere­ichen – egal ob in Wirtschaft, Bil­dung, Kul­tur oder Gesund­heitswe­sen – und nun auch in der Verkehrspoli­tik als Hemm­schuh. Man ist auf eine „Volks-Mobil­ität im Bun­des­maßstab“ in den einzel­nen Bun­deslän­dern nicht vor­bere­it­et. Das kon­nte man schon in der 9‑Eu­ro-Tick­et­phase im let­zten Jahr fest­stellen. Damals kon­terten die lokalen Verkehrs­be­triebe wie die Dres­d­ner noch mit einem clev­eren Schachzug: In dem 3‑monati­gen-Som­mer­märchen senk­ten sie ihren Monat­stick­et­preis eben­falls auf neun Euro, um die Kündi­gung zu ver­hin­dern. Das hat immer­hin funk­tion­iert. Man kon­nte nun also auch in Ham­burg oder Kiel bei der Kon­trolle die Dres­d­ner Monatskarte mit der Straßen­bahn vor dem Zwinger vorzeigen – über­all mussten Kon­trolleure die Plas­tikkarte akzep­tieren, die allerd­ings nir­gend­wo gele­sen wer­den kon­nte, denn dafür gab es keine Tech­nik. Die war nur für die jew­eili­gen lokalen Verkehrsver­bünde geeignet. Bus­fahrer und Kon­trolleure schaut­en hil­f­los auf die Plas­te­vierecke und zuck­ten mit den Schul­tern – man hätte son­st etwas vorzeigen kön­nen, irgen­deine Plas­tekarte mit dem Namen ein­er deutschen Stadt. Es waren anar­chis­che Zeit­en, darüber aber wurde kaum geschrieben, als man das 9‑Eu­ro-Tick­et feierte.

Tem­pi pas­sati. Bei der Neuau­flage des „Bun­de­stick­ets“ bleiben nun regionale Verkehrsver­bünde und lokale Verkehrs­be­triebe außen vor. Was kön­nten sie denn tun? Den Preis der Monatskarte auf deut­lich unter 49 Euro senken? Das wer­den sie nicht tun und es würde auch kaum funk­tion­ieren, zumal die näch­sten Schachzüge beim Volks-Bun­de­stick­et schon abse­hbar sind: Gegen den Kauf ein­er Zusatzkarte kann man auch den ICE, EC oder IC nutzen. Eine weit­ere Zusatzkarte ermöglicht dann das Auslei­hen von Fahrrädern und Autos zu ermäßigten Preisen bun­desweit. Man kann langsam begin­nen, Grund­satzfra­gen zu stellen: Braucht man denn über­haupt pri­vate Ver­lei­h­fir­men oder soll­ten diese nicht bess­er im kom­mu­nalen oder staatlichen Besitz sein, wenn man Autos und Räder im Zusam­men­hang mit dem bun­desweit­en ÖPNV-Tick­et auslei­hen will? Braucht es über­haupt noch regionale Verkehrsver­bünde oder reichen nicht lokale Unternehmen im kom­mu­nalen Besitz völ­lig aus? Die Beschäftigten aus den Ver­bün­den kön­nten von ihnen aus­nahm­s­los über­nom­men wer­den, also „ein­fache“ Beschäftigte und Verkehrs­plan­er. Nur den Wasserkopf, gut­bezahlte Vorstände und teure Mar­ketingaus­gaben, kön­nte man sich sparen.

Vergessen wir aber nicht: In Dres­den gibt es ein gren­züber­schre­i­t­en­des Elbe-Labe-Tick­et und mit dem Meck­len­burg-Tick­et kann man heute nicht nur auch durch Ham­burg oder Schleswig-Hol­stein fahren, son­dern auch nach Stet­tin, so wie man mit dem Rhein­land-Pfalz-Tick­et nach Frankre­ich (Wis­sem­bourg) kommt. So etwas sollte auf keinen Fall weg­fall­en! Warum sollte das Tick­et denn dann nicht auch dort über­all im ÖPNV gel­ten? Das Deutsch­landtick­et kön­nte ein Schritt sein zu ein­er Euro-Mobil­i­ty-Card, die zwis­chen Warschau und Liss­abon kostengün­stige Fahrten ohne Auto im Inter­esse der gesun­den Luft bedeutet. Das Ergeb­nis wären saubere Dör­fer und Städte, aber auch Kul­turein­rich­tun­gen, Ausstel­lungs­mach­er und Konz­ert- und Sportver­anstal­ter wür­den prof­i­tieren, wenn es hin­sichtlich der Fahrtkosten egal ist, ob man in der Freizeit eine Ver­anstal­tung in der eige­nen Stadt, der Region im Umland bzw. in Leipzig oder Berlin besucht. Gren­züber­schre­i­t­ende Ver­anstal­tun­gen gar wie die Tschechisch-Deutschen Kul­turtage kön­nten viel mehr Besucherin­nen und Besuch­er haben, wenn vor allen Din­gen eines stimmte: das Ange­bot an öffentlichen Verkehrsmit­teln. Seit der Wende in Ost­deutsch­land vom ÖPNV abge­hängte Regio­nen, Dör­fer und Kle­in­städte müssen wieder „ans Netz“ und die Tak­tzeit­en müssen passen: am Son­ntag ein Bus aller zwei Stun­den und ab 20 Uhr gar nichts mehr reicht da nicht!